Ist eine Stromimportstrategie in Zukunft noch richtig für die Schweiz?

Die Frage der Versorgungssicherheit nach dem Abstellen unserer Kernkraftwerke ab 2050 wird nach wie vor unklar beantwortet. Es werden je nach Annahmen des Zubaus der Erneuerbaren Energien, klimatischen Veränderungen und der Entwicklung der Nachfrage rund 15-20 TWh im für uns relevanten Winterhalbjahr fehlen. (Eigene Schätzung, Annahme Verbrauch im Winter rund 46 TWh: Photovoltaik rund 10 TWh, Wind 0-5 TWh, Wasser 17 TWh). Die Verfügbarkeit von Strom im Sommer wird über Wasser und PV in der Schweiz und auch im umliegenden Europa hoch sein.


Tabelle: Zwei Szenarien Stromproduktion und -Verbrauch 2050, Quelle: BFE, Ompex AG.

Die Herausfoderung der Schweiz: Die Schweiz ist kein Land für Windkraftanlagen in grossen Mengen, obwohl Wind eine hohen Winteranteil liefern könnte. Der Zubau von Photovoltaik (PV) kommt eher langsamer voran als geplant und wird im Winter keinen bedeutenden Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten, Gaskraftwerke werden wohl als Reserve knapp von der Gesellschaft akzeptiert werden, ein Regelbetrieb mit vielen Betriebsstunden ist aber aufgrund des negativen Effekts auf die CO2 Bilanz nicht anzunehmen. Alle Projekte rund um die Wasserkraft und andere Grossanlagen für erneuerbare Energien werden nach wie vor von Interessengruppen blockiert.

Damit bleibt der Schweiz nur der Import der fehlenden 15-20 TWh im Winter. Diese Strategie ist jedoch mit sehr vielen Unsicherheiten behaftet. Dazu eine Auslegeordnung der Situation in unseren Nachbarländern:

Die Situation in Frankreich: Ganz Europa und auch die Schweiz sind stark vom französischen Kernkraftwerkspark abhängig, dies v.a. – aber nicht nur – im Winter. Frankreich sitzt jedoch auf einem veralteten Kraftwerkspark mit mehr als 50 Blöcken. Diese decken 70% des Strombedarfs des Landes - ein Spitzenwert international. Im letzten Jahr kämpfte das Land mit unvorhergesehenen Abschaltungen und wurde zum grossen Importeur, teilweise fehlte die Hälfte der Kapazität. Frankreich plant, bis 2050 sechs neue ERP-Meiler zu bauen. Damit würde die Versorgungssicherheit in Zentraleuropa zwar stark zunehmen, auch für die Schweiz. Ob die Franzosen dies aber auch umsetzen ist abzuwarten. Das Debakel um Flamanville verspricht nichts Verbindliches.

Wohin entwickelt sich Deutschland? Deutschland ersetzte das russische Pipelinegas mit LNG in kurzer Zeit und zu hohen Kosten, ist aus der Kernenergie dieses Jahr ausgestiegen und hat die letzten drei Meiler Ende April abgestellt. Bis spätestens 2038, und idealerweise bis 2030, soll auch die Kohlekraft der Vergangenheit angehören. Deutschland produziert aktuell zu ca. 45% aus erneuerbaren Quellen und will diesen Anteil bis 2030 auf bis zu 80% erhöhen, der Rest soll dann noch aus Kohle- und vor allem Gaskraftwerken kommen.

Um die Volatilität von Sonne und Wind abzusichern, ist ein grosser Zubau von wasserstofffähigen Gaskraftwerken von bis zu 50 Blöcken einer der Pläne, welche diskutiert werden. Die notwendigen politischen und sozio-ökonomischen Anstrengungen für die Transformation eines Landes mit traditionell starkem Sektor der fossilen Energien sind enorm. Die Frage ist, ob Deutschland weiterhin den gesellschaftlichen Willen hierfür aufrechterhalten kann.

Österreich ist v.a. im Winter ein Strominportland: Österreich kämpft um Versorgungssicherheit und mit Abhängigkeiten. Das Land importiert seit rund 20 Jahren v.a. im Winter bis zu 15% des Stroms und hängt mit rund 60-70% noch immer stark am russischen Gas. Der Vertrag zwischen Russland und der OMV wurde erst 2018 bis 2040 verlängert. Allerdings könnte dieser Vertrag bereits Ende 2024 obsolet werden aufgrund des Auslaufens des Transitvertrages zwischen Russland und der Ukraine. Auch Österreich muss damit alternative Quellen in Betracht ziehen.

Wird Italien unabhängig? Italien ist historisch ein Importland und ist dies mit noch ca. 10% geblieben. Der Ausbau der Erneuerbaren in Italien wird vor allem durch hohe bürokratische Hürden ausgebremst. Die Gasversorgung ist weiterhin stark abhängig von russischen Importen. Neue LNG-Terminals und Pipeline-Verträge mit Algerien wurden abgeschlossen um die Abhängigkeit abzumildern.

Was ist die richtige Strategie für die Schweiz? Können wir im Energie-Trilemma aus Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Schutzinteressen dem erstgenannten das notwendige Gewicht verleihen? Werden wir nach dem Abschalten unserer Kernkraftwerke noch stärker vom Ausland abhängig und noch mehr Strom von Deutschland und Frankreich importieren? Werden wir die Diskussion über Kernkraftwerke der neuen Generation aktiv wieder aufnehmen und ehrlich führen in der Schweiz? Werden Grossanlagen aus Wasserkraft, Photovoltaik und Windkraft in Gebirgsregionen zukünftig einen noch wichtigeren Beitrag leisten – v.a. im Winter? Werden die gasbetriebenen Kraftwerke zur Normalität? Oder entwickeln sich die dezentralen Produktionseinheiten so gut, dass sie auch im Winter genug produzieren und uns versorgen können? Wo die Reise hingeht ist offen. Die Diskussion sollte jedoch jetzt und ehrlich geführt werden und nicht den zukünftigen Generationen weitergegeben werden. 


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